Obermeisling mag heute als ruhiger, abgelegener Ort im Kremstal erscheinen – doch ein Blick in die Geschichte offenbart seine einst zentrale Bedeutung im kirchlichen Leben des südlichen Waldviertels. Die Pfarre Obermeisling zählt mit ihrem Alter von mindestens 900 Jahren zu den ältesten Pfarren in der Region. Ihre Gründung reicht in das Jahr 1111 zurück, als die Kirche in “Mutzliche” vom Passauer Bischof Ulrich (Udalrich) zu Ehren des Hl. Stephanus geweiht wurde.
Dieser Akt markiert den Beginn einer langen kirchlichen Geschichte, die tief mit der spirituellen und sozialen Entwicklung der Region verwoben ist. Meisling war ursprünglich eine Urpfarre mit einem riesigen Einzugsgebiet – es reichte von den westlichen Quellgebieten zwischen Purzelkamp und Kremsfluss bis hin zum Reislingbach bzw. Tiefenbach. Dieses Gebiet war so weitläufig, dass im Laufe der Jahrhunderte nicht weniger als 18 Tochterpfarren daraus hervorgingen – darunter auch die heutigen Pfarren des Pfarrverbandes Gföhl und Rastbach, zu welchem die Pfarre Obermeisling seit dem Jahr 2023 gehört.
Die herausragende Stellung von Meisling zeigt sich auch daran, dass die Pfarre bereits im Jahr 1212 dem Zisterzienserstift Lilienfeld inkorporiert wurde. Seither wird sie als Stiftspfarre geführt, was über Jahrhunderte hinweg für seelsorgliche Stabilität und geistliche Kontinuität sorgte.
Die heutige Pfarrkirche Obermeisling beeindruckt durch ihre gewachsene Architektur: Der gedrungene Westturm, das asymmetrische Langhaus, der leicht erhöhte Chor, das nördliche Seitenschiff mit der frühgotischen Marienkapelle und die barocke Sakristei spiegeln die wechselvollen Bauphasen wider – von der Frühgotik über die Spätgotik bis hin zu barocken Elementen. Von der ursprünglichen romanischen Kirche dürfte nichts mehr erhalten sein.
Im Inneren der Kirche dominieren Ausstattungsstücke aus verschiedensten Epochen: Barock, Klassizismus, Biedermeier, Historismus und das 20. Jahrhundert sind vertreten. Zentrum ist der prachtvolle hochbarocke Hochaltar, geschaffen um 1730 vom bekannten Kremser Bildhauer Andreas Krimmer. Aus Holz gefertigt, kunstvoll marmoriert und vergoldet, zeigt das Altarbild die Steinigung des Hl. Stephanus – ein Symbol für die Standhaftigkeit im Glauben. Der Hl. Stephanus ist der Pfarrpatron der Pfarre Obermeisling.
Die Kirche ist nicht nur ein Ort des Gebets und der Liturgie, sondern auch ein Zeuge der Zeitgeschichte, der die Höhen und Tiefen der Region über Jahrhunderte hinweg überdauert hat. Sie bleibt bis heute das geistige Zentrum der Pfarre und ist ein Ausdruck lebendiger Glaubensgemeinschaft.